Farming in Mangersta

Wir brechen Morgens nach einem tollen Frühstück mit ausschließlichen Bio-Zutaten zeitig auf, um die erste Fähre zur Isle of Lewis zu bekommen. Man hat uns gesagt, das es ohne Reservierung schwierig sein kann, einen Platz auf der Fähre zu bekommen. Daher möchten wir keine Zeit verlieren und sind früh am Fährschalter, um noch Tickets zu ergattern.

Wir haben Glück und bekommen ohne Probleme noch ein Ticket für die Überfahrt nach Stornoway. Wir warten mit einigen Bikern zusammen auf die Ankunft der Fähre, und so vergeht die Zeit wie im Flug bis zur Ankunft. Die Fähre ist recht groß, der Bauch der Fähre verschluckt uns und wir verzurren die Bikes für die Überfahrt. Die Überfahrt dauert ca. 3 Stunden und so richten wir uns nach einem kurzen Ausflug auf Deck unter demselbigen gemütlich ein. Wir finden Platz in tollen bequemen Liegesesseln mit luxuriös viel Beinfreiheit und verschlafen so den größten Teil der Überfahrt.

Gut erfrischt und ausgeruht kommen wir bei Regenwetter in Stornoway an. Gut, das kennen wir jetzt schon und deshalb macht es uns auch gar nicht mehr soviel aus…;) Nicoles Moped ist brav und springt jedes mal zuverlässig an. Sollte mein Reperaturversuch von gestern geholfen haben?
Die Fahrt nach Mangersta ist auf den ersten Meilen nicht sehr spannend und wird erst interessanter, als wir uns Uig nähern. Es geht durch ein von einem Gletscher geformtes Tal, und die Felsformationen erinnern ein wenig an einen Canyon. Die Gegend wird bergiger und schon bald tauchen die ersten Küstenkliffe auf. In den Buchten sind tolle Strände zu finden, die wir jedoch zunächst ob des schlechten Wetters nicht weiter beachten. Wir erreichen gegen Nachmittag Mangersta und können von einer Anhöhe aus das Tal überblicken. Weiter unten identifizieren wir ein Farm, auf der ein „Gebilde“ steht das aussieht wie die Hütte die uns unsere wwoofing Hosts beschrieben haben. IMG_1405
Wir beschließen, darauf zuzusteuern. Wir erreichen die Farm und es stellt sich heraus, dass wir hier richtig sind. John, der Mann von Lorna, macht mir die Tür auf und empfängt mich mit einem strahlenden Lächeln und freut sich, dass wir angekommen sind. Wir werden sehr herzlich in Empfang genommen, und bekommen sogleich eine Führung durch unser Zuhause für die kommenden Tage.
Bei der Unterkunft handelt es sich tatsächlich um eine ausrangierte Fischkutterkabine, die John auf die Farm bringen lassen und zu einer Unterkunft umgebaut hat. Die Hütte ist sehr klein, reicht aber, um drin zu schlafen und das Gepäck zu deponieren. Die Toilette ist in der „Sauna“ – vielmehr in der Hütte, in der die Sauna mal entstehen soll. Seit 10 Jahren. 🙂  Somit haben wir eine Rückzugsmöglichkeit und können auch mal für uns sein, wenn es notwendig ist. IMG_1206
Da es mittlerweile Abend geworden ist, hat Lorna das Essen vorbereitet und wir werden zu Tisch gebeten. Wie sich herausstellt sind die beiden großartige Köche und das Essen ist fantastisch.

Lorna ist Vegetarierin und es gibt einen tollen Auflauf und viel „Zubehör“. Wir sind total satt und glücklich und fallen müde in das vorbereitete Bett.
Unsere Hütte ist übrigens nicht isoliert, und somit passt sie sich perfekt den Umgebungstemperaturen an. Tagsüber mit Sonne stickig heiß, Abends saukalt… Wir haben einen Heizlüfter zur Verfügung gestellt bekommen, um dieses Manko auszugleichen. Ob der geringen Größe ist die Bude auch Ruck-Zuck geheizt und kuschelig warm.

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…glückliche Hühner…

Am nächsten Morgen geht es um 9 Uhr mit einem Frühstück los, und wir besprechen den Arbeitseinsatz des Tages. Die beiden betreiben keine Farm im eigentlichen Sinne, sondern eher ein „Croft“ zur Selbstversorgung. So gibt es viele kleine Tätigkeiten zu erledigen wie Hühner füttern, Wasser aus dem Brunnen schöpfen oder Gartenarbeit. Da der Garten recht groß ist, fällt hier viel Arbeit an. Wir lernen, dass es in Schottland, insbesondere an der Küste extrem schwierig und aufwändig ist, der Erde etwas brauchbares abzuringen. Nutzpflanzen wachsen, wenn überhaupt, nur, wenn sie gegen den allgegenwärtigen Wind abgeschirmt werden. So ist der Garten an sich aufwändig eingezäunt und auch innerhalb des Gartens gibt es um die Beete noch einmal zusätzliche kleinere Zäune. Insbesondere Bäume haben es extrem schwer, und so zeigt Lorna uns einen Apfel“baum“ an dem sie schon über 20 Jahre züchtet. Wir können es kaum glauben, als wir das mickrige Dingen sehen, das noch nie Früchte getragen hat…

Das einzige, was von selbst wächst ist das Unkraut. Dagegen hilft nur regelmäßig ausrupfen, und so steht die Aufgabe für den ersten Tag schon mal fest: Unkraut jäten. Na toll. Für mich als Anti-Gärtner eine Strafarbeit, Nicole ist dagegen mit der Aufgabe ganz zufrieden, da sie gerne im Garten arbeitet. (wenn es nicht zuviel ist…) Aber was soll’s, Job ist Job und wir sind ja auch nicht zum Spaß hier. 😉 So kämpfen wir uns durch das Dickicht aus Unkraut und versuchen den Nutzpflanzen Raum zu verschaffen. Lorna begutachtet hin und wieder den Fortschritt unserer Arbeit und scheint ganz zufrieden zu sein. Wir bekommen Mittags eine kleine Stärkung und können nach weiteren 2 Stunden den Freizeitteil des Tages in Angriff nehmen. Da schon den ganzen Tag die Sonne scheint entschließen wir uns, die stehenden Steine und ein „Broch“ zu besichtigen. Die Fahrt dorthin dauert hin und zurück ca. 3 Stunden und somit ist das schon ein straffes Programm, wenn wir rechtzeitig zum Abendbrot wieder zurück sein möchten. Und das möchten wir auf jeden Fall nach der Anstrengung des Tages…

Nicole:
Am zweiten Tag fragt John, ob Christian den defekten Traktor reparieren kann. Das kann er und macht er auch viel lieber als Unkraut zu zupfen, vor allem weil es den ganzen Tag regnet. In der großen Garage macht er sich ans Werk. IMG_1286Ich hülle mich in Wellingtons – das sind die hiesigen Gummistiefel – Regenhose und Regenjacke und mache weiter Lornas Gemüsegarten fein. Auch die Hühner füttern wir wieder und „ernten“ drei frische Eier. John erzählt uns, dass wilde Tauben im Hühnerstall das Futter klauen und dass er Morag, seinen deutschen Vorsteherhund, darauf dressiert ist, diese zu fangen. Gesagt, getan.
Abends gab es dann frische Täubchen zu essen. Englisch – so dass ich mein Fleisch erst mal weitere 10 Minuten in der Pfanne belassen habe – Das erste Mal für uns und sie schmeckten ein wenig wie Wild.

Nach dem Essen steht die Tide gut und John nimmt uns mit über das Moor zur Küste. Auf einem vorgelagerten Felsbrocken, der nur bei Ebbe zu erreichen ist, hat er zwei Hummerfangkörbe, die er mit in Salz eingelegten Makrelen bestückt und ins Meer wirft. Wir hoffen, dort morgen einen Hummer gefangen zu haben. IMG_1378

Vieles, was für uns Deutsche aus der Stadt völlig undenkbar ist, wird hier gelebt. Die Haustüren stehen immer offen, die Autos sind nicht abgeschlossen und der Postbote wirft die Post einfach ins Auto, so spart man sich den Briefkasten. Muss man mal in der freien Natur und hat kein Papier, sucht man sich einfach bestimmte Moose, Joghurt und Brot macht man selber.

Christian:
Der folgende Tag ist ein Sonntag, und da geht es im Nordwesten Schottlands traditionell ruhig zu. Es wird genau darauf geachtet, keinen Lärm zu verursachen oder Dinge zu tun, die nicht so gern gesehen werden wie z.B. die Wäsche draußen aufzuhängen. Zudem haben alle Geschäfte geschlossen, und wenn ich alle schreibe, meine ich auch ALLE. Keine Restaurants, keine Shops, keine Tankstellen – nichts hat geöffnet. Somit ist die Art der Arbeiten relativ eingeschränkt, Nicole macht einige Eimer sauber und hängt die Zwiebeln zum trocknen auf, ich kümmere mich um die Computerprobleme um deren Lösung mich John gebeten hat.

Da das Wetter ganz gut aussieht, beschließen wir Nachmittags an den Butt of Lewis zu fahren, den Nordwestlichsten Punkt von Großbritannien. Es ist sehr stürmisch, und so haben wir auf dem Motorrad gut zu kämpfen. Wir sind auf Nicoles Bike unterwegs, da meins nicht mehr genug Benzin hat, um die Strecke hin und zurück zu schaffen. (wir erinnern uns: es ist Sonntag…) Auf dem Weg zum Arsch der Welt (sorry, zum Arsch von Lewis – und das ist nur die korrekte Übersetzung) gucken wir uns noch die Blackhouses an.

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Der Weg zum Butt ist sehr langweilig, es geht schnurgeradeaus und das kilometerlang. Und am Ende steht ein Leuchtturm und das wars. Ich bin ziemlich enttäuscht und finde, dass sich der Weg hierher nicht lohnt, man fährt nur dahin damit man sagen kann: „Ich war da.“ – Also: ihr seid gewarnt für den Fall das ihr da hin wollt…

Der Rückweg entwickelt sich zu einer wahren Fahrt direkt durch die Hölle. Nicht nur, das der Sturm zugelegt hat, es fängt auch noch an zu regnen. Der Regen kommt waagerecht über das Land gefegt und ich habe wirklich alle Mühe, das Motorrad auf Kurs zu halten. Davon, das wir uns nur auf unserer Spur bewegen kann keine Rede mehr sein, ich bin froh wenn ich auf der Straße bleibe… Völlig erschöpft, durgefroren und durchnässt kommen wir wieder auf der Farm an. Wir ernten viel Mitleid und werden sogleich mit heißem Tee und frischen Scones versorgt. Das und eine heiße Dusche bringen die Lebensgeister wieder zurück und so machen wir uns nach dieser Stärkung auf den Weg um nach den Hummerkörben zu sehen.
In wasserdichter Kleidung geht es bei Sturm und Regen zum Kliff. Die Stimmung ist bei diesem Wetter schon ganz speziell, sehr rau und unwirklich, dazu kommt noch ein fahles Licht das sich seinen Weg durch die Wolken bahnt. Ein tolles Erlebnis. Die Körbe sind leider leer (bis auf einen kleinen Krebs, dem wir wieder die Freiheit schenken). Dann eben beim nächsten mal…

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na, wer findet die Hütte?

Auf dem Rückweg von den Körben fragt uns John, ob wir noch das Bothie sehen möchten. Und ob wir wollen! Das Bothie ist eine kleine Hütte, die John & Lorna selbst direkt an den Klippen gebaut haben. Der Weg dorthin ist ein wenig beschwerlich und führt über Wiesen und Felsen. Die Hütte ist so gut in die Umgebung integriert, dass ich sie erst auf den zweiten Blick wahrnehme.
Die Lage der Hütte ist wahrlich Atemberaubend und spektakulär. Sie liegt direkt auf einer Klippe, eine Seite der Hütte fällt direkt steil ins Meer herab und gibt den Blick auf die Brandung durch ein großes Fenster frei. IMG_1348Ich könnte hier stundenlang sitzen und den Wellen zusehen – ein ganz besonderer Fleck Erde, den die beiden hier geschaffen haben.

Von den Eindrücken noch ganz gefangen genommen, machen wir uns auf den Rückweg zur Farm, wo Lorna schon mit einem grandiosen Abendessen auf uns wartet.

Am Montag morgen packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns bereit, uns wieder auf den Weg zu machen. Jedoch nicht ohne uns gebührend von unseren Gastgebern zu verabschieden: wir nehmen Lorna mit auf unseren Motorrädern auf eine kleine Tour. Sie ist selbst eine begeisterte Fahrerin gewesen und genießt es, nach einer langen Zeit mal wieder auf einem Motorrad zu sitzen.

Wir fahren gemeinsam zu einer Baustelle, wo John sein nächstes Projekt verwirklicht. Hier setzen wir Lorna ab und es wird Zeit sich endgültig zu verabschieden. Der Abschied fällt nicht leicht, und so machen wir uns mit gemischten Gefühlen wieder auf unseren Weg.

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Gruppenfoto mit den Gastgebern

Wir fahren in Richtung Harris, wo wir in Tarbert die Fähre nach Uig auf Skye nehmen möchten. Harris ist der Südwestliche Teil der Insel Lewis und Harris. Die Landschaft hier unterscheidet sich grundlegend von der Landschaft auf Lewis. Es ist viel bergiger, die Straßen sind sehr kurvig und es mach spaß, über die Insel zu fahren. (selbst bei Nieselregen…) Wir erreichen den Hafen von Tarbert sehr zeitig und haben so noch einige Zeit für eine Extrarunde über die „Golden Road“. Das machen wir doch gerne! 🙂

Auf dem Weg auf die Fähre streikt mal wieder Nicoles Motorrad und wir haben Mühe die Maschine noch zum laufen zu bringen und es so auf die Fähre zu schaffen. Schließlich stehen beide Maschinen gut festgezurrt und gesichert auf der Fähre, und wir suchen uns wieder ein gemütliches Plätzchen für die Überfahrt nach Skye. Aber das wird ein anderes Kapitel sein…

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