Am Sonntag, 28.05.2017 war es in Altrip schon um 9 Uhr morgens 32 Grad heiß – keine tollen Voraussetzungen für einen Tag im Bus am Tourtag drei. Dennoch hieß es Abschied nehmen – was uns diesmal aufgrund von besonderen Umständen sehr schwer fiel – und ab in den Bus.
die Hofeinfahrt des Weinguts ist etwas knapp bemessen
Aus dem Garten haben wir von Uli und Moni etwas Minze mitbekommen und reichern unser Wasser damit an. Es schmeckt herrlich erfrischend bei dem Wetter. Ein echter Tipp!
Nach gut zwei Stunden, die unsere kleine Merle geschlafen hat, und die wir die Weinstraße entlang gefahren sind, kamen wir in den Vogesen an. Wissembourg haben wir leider verschlafen, aber so kamen wir recht früh in Andlau auf dem Weingut von Robert Wohleber Mitten im Elsass an.
Robert Wohleber ist unsere erste Anlaufstation mit “France Passion”, einem Zusammenschluss französischer Bauern, Winzer und Gastwirte, die kostenfrei einen Stellplatz anbieten. Wir haben uns vor der Reise eine Jahresmitgliedschaft bei “France Passion” gekauft, da das “wilde” Übernachten in Frankreich theoretisch verboten ist – und mit einem Kleinkind haben wir keinen Spaß daran, vielleicht mitten in der Nacht von der Polizei (mit oder ohne Bußgeld) verscheucht zu werden*.
Wir sind gespannt, wie es sein wird. – Gespannt sind wir auch aufgrund unserer 25 Jahre verschütteten Französischkenntnisse aus der Schulzeit. Christian hat die Sprache damals ein Jahr lang gelernt und ich 1,5 Jahre.
Wir verbrachten einen sehr heißen Nachmittag mit Wasserplanschen im Schatten der Kirschbäume im paradiesischen Innenhof des alten Weingutes inmitten des kleinen schmucken Bergdörfchens Andlau.
Robert Wohleber konnte als waschechter Elsässer gut elsässisch (und damit auch “ditsch”) sprechen. Das fiel uns ein Stein vom Herzen und alles, was wichtig ist, lehrte uns Robert in Kürze: “Nous avons avec France Passion. Avez-vous uns place pour nous?” Alle anderen Sätze, die ich mir halb zu Recht gelegt hatte, verwarf er mit einer Geste und sagte nur, das sei viel zu kompliziert. So denken Franzosen nicht.
Der Abend war sehr heiß. Es gab zwei kurze Gewitter in der Nähe, die hier nur ein paar Tropfen Wasser ließen und die Schwüle noch steigerten. Robert erzähle viel von den Bedingungen der Bauern, insbesondere der Weinbauern in Frankreich. Der Landwirtschaft ergeht es in Frankreich wohl ähnlich wie in Deutschland. Die niedrigen Preise machen den heimischen Markt kaputt und viele Bauern in Frankreich arbeiten unrentabel und begehen aus dem Grund teilweise sogar Selbstmord.
Wer in der Landwirtschaft arbeitet, ist abhängig von dem Wetter und der Natur einerseits und dem Markt andererseits. Es gibt kein geregeltes Einkommen, wie man es beispielsweise in einer Fabrik bekommt. Dafür ist man ein freier Mensch in freier Natur – auch bei Regen und Frost. Er erzählt, und wir merken, dass er mit Leib und Seele Winzer ist, dass er sein Weingut aufgebaut hat und stolz ist, wenn sein Sohn es dereinst übernehmen wird.
Robert erzählt uns während der Weinprobe aber auch, dass es Dinge in der EU gibt, die er nicht so gut findet. So nennt er beispielsweise die Lohnbedingungen in Deutschland “Sklaverei”, so dass er als Franzose den Deutschen gegenüber einen Wettbewerbsnachteil innerhalb der EU hat. Dagegen findet er die Nutzung der Windenergie im Schwarzwald sehr gut, was bei ihm in den Vogesen leider nicht erlaubt ist. Er würde sich etwas mehr Angleichung der Gesetze wünschen.
Wir unterhalten uns auch über den Bio-Anbau, den er zwiespältig betrachtet. Er sagt, dass die Bio-Winzer öfter Spritzmittel auftragen müssen, weil die Bioherbizide nicht so gut wirken. Und dass die Umweltbilanz durch den Treibstoff nicht in “Bio” mit eingerechnet wird. Grundsätzlich findet er den Bioanbau aber gut, nur ist dieser leider in seinen Augen noch unrentabler als der konventionelle. Das findet er schade.
Zum Schluss erzählte er noch, dass er eine Auszeit, wie wir sie nehmen, sehr gut findet. Er sagt, dass ein Mensch nur über den eigenen Weinberg hinaus schauen lernt, wenn er ihn einmal verlassen hat. Nur leider kann er sich als Winzer solche langen Auszeiten wie wir sie nehmen nicht einräumen. Er selber hat aus diesem Grund schon viele kurze Auszeiten genommen.
Schlussendlich verlassen wir die Weinprobe mit einem Weißwein mehr im Gepäck. Es ist ein Gewürztraminer, der mir persönlich am besten geschmeckt hat. Glücklich, diesen herrlichen Ort gefunden zu haben, fallen wir in unsere Federn.
Eure Nicole
* Eine Woche später werden wir wissen, dass die Franzosen hier alle wild mit dem Wohnmobil stehen. Es scheint uns, als ob das hier zumindest außerhalb der Saison geduldet wird.
Frage des Tages: Warum sind uns die Produkte unserer heimischen Bauern so wenig wert, dass sie Selbstmord begehen? Schrecklich!