Früh am Tage 66 weckte uns um 7 Uhr Ortszeit der Wecker. Wir machten uns rasch fertig, etwas in Sorge um das Erreichen unserer Fähre. Wir beschlossen das selbe Procedere wie beim letzten Mal: erst fahren, dann in der Warteschlange frühstücken. Also ging es um 8 Uhr bereits los.
Im Gegensatz zu gestern, wo das Navi etwa 30 Minuten Weg voraussagte, waren es heute morgen 8 Minuten. Daher waren wir entsprechend früh in Dover.
Angeblich sollten wir 1,5 Stunden für das Check-in einplanen, denn die französischen Grenzbeamten sollen derzeit “ganz besonders gründlich kontrollieren”. Wir fragten uns schon, warum genau und frotzelten herum, was man grundsätzlich alles nicht von Britannien aus nach Frankreich schmuggelt: gepanschter Tabak, Drogen, illegale Einwanderer etc.
Wir waren fast allein in der Warteschlange, die aus 3 Autos bestand. Die französische Kontrolle sah wie folgt aus: “Votre Nationalité?” – “Allemand” – und durch. EU-Nettozahler dürfen passieren, frotzelten wir erneut.
Am Check-In-Schalter, wo wir wieder in der langen Schlange mit vier Autos standen, sagte man uns dann, dass wir zu früh dran seien und wieder wegfahren sollen – oder alternativ 90 Euro zahlen für die Fähre um 9:30 statt unserer um 11:30.
Wir fragten, ob wir nicht trotzdem schon aufs Gelände dürften, dann würden wir auf unsere Fähre warten. Ein kurzes Gespräch der Beamten miteinander und wir bekamen einen Zettel und die Anweisung: Parkt dort und geht frühestens in einer Viertelstunde in das Haus daneben.
Wir parkten also, machten uns Frühstück mit herrlichem Ausblick auf die weißen Klippen von Dover und ich ging eine halbe Stunde später in das Häuschen hinein – aus Neugierde, was da wohl drin sein mag. Es war ein Check-in Schalter, der mich prompt kostenfrei auf die 9:30 Uhr-Fähre umgebucht hat.
Dann nichts wie zurück zum Bus gelaufen, Frühstück eilig zu Ende gegessen und ab in die Warteschlange 226. (Wir dachten erst an einen Scherz, denn wir frühstückten vor Warteschlange 1.) Hier dauerte es nicht mehr lange bis zum Boarding.
So kam es, dass wir nur ein sehr kurzes Frühstück hatten und dafür bereits um 9:30 Uhr die Insel verließen. Im strahlenden Sonnenschein standen wir auf dem Achterndeck und bestaunten noch einmal die strahlend weißen Klippen. Das muss vor ein paar hundert Jahren wie eine Einladung für französische Kriegsfürsten gewirkt haben: blink blink hier bin ich; kommt hier her (heute ist anscheiend unser Frotzeltag).
Merle konnten dem Anblick nichts abgewinnen und versuchte jedes Mal, wenn die Tür aufging, zu entwischen. Sie wußte genau, dass jedes Schiff eine Spielecke hat – und genau dort wollte sie hin.
Die Überfahrt war kurz und wir verbrachten sie anschließend – wer hätte es gedacht – an der Spielecke. Links und rechts in den Fenstern konnten wir auf der einen Seite weiße Klippen sehen und auf der anderen graue Falaises.
So kam es, dass wir (mit Zeitumstellung) schon um kurz nach 11 in Calais ankamen. Merle war so müde gespielt, dass sie uns noch im Hafengebiet einschlief. Wir fuhren nach Osten, während wir das Angebot an Strand-Campingplätzen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden prüften.
An den Leitplanken der Straße am Hafen sahen wir schwarze Immigranten stehen. Wir hatten bereits Reportagen darüber gesehen, dass diese Menschen versuchen, irgendwie nach Großbritannien zu kommen. Aber sie dann tatsächlich zu sehen, ist nochmal eine ganz andere Konfrontation mit dem Thema.
Unser Lieblingscampingplatz in Domburg (Zeeland) war laut Webseite bis auf Weiteres voll ausgebucht und ein Camingplatz im belgischen Örtchen de Panne würde uns fast 40 Euro pro Nacht kosten. Als drittes suchte ich in Frankreich und fand in Bray-Dunes den Campingplatz “Perroquet” mit akzeptablem Preis und nahe an Belgien.
Dort angekommen, war die Rezeption bis 14 Uhr geschlossen – es war 12:10 Uhr. Zuvor hatten wir schon den großen Supermarkt geschlossen vorgefunden – um 12:05 (Öffnungszeiten sonntags nur bis Mittag). Der nette Wärter sagte uns, wir sollten zum platzeigenen Strand fahren, chillen und um 14 Uhr wiederkommen.
Wir fuhren also den 1,6 km(!) langen Campingplatz entlang bis zum Strand. Hier gab es jede Menge Restaurants und kleine Geschäfte, Spielmöglichkeiten und für uns einen großen Parkplatz. Es ging zu wie auf dem Rummel: laute Urlaubs-Musik, viele Autos, noch mehr Menschen – all das sind wir schon nicht mehr gewohnt, seit wir Frankreich vor 6 Wochen verlassen hatten.
Der Kontrast war uns zu viel und wir wollten schon wieder los, doch das Wetter wurde immer besser. Die wenigen Wolken, die noch da waren verzogen sich und wir gingen erstmal zum Strand. Wie auch in Wales vor ein paar Tagen war Ebbe und das Wasser mehrere hundert Meter entfernt.
Macht ja nichts: wir haben Füße (oder werden partiell getragen). Der Wind bläst hier am Strand gar heftig und wir sind froh, dass es hier geregnet haben muss und der Sand noch relativ feucht ist. Es ist dennoch wie ein Peeling und Merle hasst Wind, dreht sich um uns sagt: “Bus!”.
Dennnoch kommen wir irgendwann an der Waterkant an. Blicken wir zurück links und rechts an die Küste, sehen wir den “zweiten Atlantikwall” – Hochhäuser und Apartmentburgen direkt in den Dünen soweit das Auge recht. Très chic – nicht.
Die Flut kommt – mal wieder – mit Macht an diesem flachen Strand und es dauert nicht lange, da reichte es nicht, dass Merle die Hosenbeine bis über die Knie gekrempelt hatte. Das machte aber im Endeffekt nichts, denn als ich ihr sagte, wie möge nicht so tief ins Wasser gehen, hockte sie sich ins flachere Wasser, wo der Popo in der nächsten Welle ebenfalls triefnass war.
Ohne Hose spielte sie dann weiter, nur um einige Minuten später kopfüber zu purzeln. Gut, dass sie sich abfangen konnte, so wurden nur die Ärmel von Jacke und Shirt nass. Das war dann der Moment, wo wir den Rückzug zum Bus antraten – nicht ohne dass die nasse Merle den Boule-Spielern gefühlte zwei Stunden beim Bällewerfen zugeschaut hatte. Sehen wir halt nicht jeden Tag.
Weiter ging es in Richtung Rezeption. Wir checkten für 21 Euro (plus 3 Euro fürs Duschen) ein und warteten, um zum Platz eskortiert zu werden. Meine Französischkenntnisse hatte ich noch nicht verlernt, zudem spricht man hier neben Niederländisch auch Deutsch (und etwas Englisch).
Belgien ist übrigens tatsächlich nicht so weit entfernt. Belgien beginnt etwa 5 Meter neben der Rezeption, denn das Grundstück liegt direkt an der Grenze. Die Schilder in den Dünen daneben sind bereits auf Niederländisch und auch der Shop vor den Toren liegt in Belgien. Wir bestellten also ein “Pain complet” in Belgien und gingen zurück zu unserem Platz nach Frankreich.
Nach einer gefühlten halben Stunde kam ein Mann und zeigte uns unsere Parzelle. Er sagte, dass sie ab morgen, 14 Uhr bereits wieder vergeben wäre. Wir wunderten uns, denn es war eine Parzelle direkt neben der “Strand-Hauptstraße” des Parks und etwa 1,5 km vom Strand entfernt. In der Hauptsaison scheint hier jede Parzelle belegt zu sein.
Aber immerhin standen wir bei strahlendem Sonnenschein mitten in den Dünen und hatten ob der vorbeifahrenden und -laufenden Gäste immer etwas zu gucken. Zudem war der Platz nah am famosen Kinderspielplatz, den wir für die nächsten Stunden okkupierten.
Wir waren mal wieder erstaunt, welche Fortschritte Merle in den letzten Wochen gemacht hatte. Sie konnte sämtliche Parcour-Abschnitte der großen, aufwändigen Kletter-Rutsche meistern: Sprossenwand, Leiter, Treppe, Netz, Brücke, schiefe Ebene, Kletter-Brücke und vieles mehr.
Den Abend beschlossen wir bei Nudeln mit leckerer Thunfischsoße (Thunfisch aus dem Shop in Belgien – mit Gold aufgewogen), unserem letzten Cider und einer kleinen Maus, die so müde war, dass sie trotz Zeitumstellung schon um kurz vor 20 Uhr im Bett war.
Was waren wir glücklich!
Frage des Tages: Was genau schmuggeln Leute von England nach Frankreich, das “enhanced security checks” rechtfertigt?