Tag 29: Hoöya (Steinkjer) – Kyrkesaeteröra
Achtung! Explicit Lyrics – nichts für Pubertierende und Leute mit Depression!
Es sollte eigentlich den ganzen Tag regnen. Aber der Morgen begrüßte uns zwar stürmisch, aber auch mit Sonnenschein. Nach dem Frühstück machten wir eine kleine Wanderung auf die Insel Hoöya. Gut, dass Ebbe war und der Damm somit begehbar.
Doch so schön der Tag begann, so seltsam “beschissen” begann er auch. Und das begab sich so: Der Platz, auf dem wir standen, war ein Picknick- und Badeplatz. Etwa 25 Meter in Richtung Strand und Insel gab es zwei Toilettenhäuschen vom feinsten. Piekfein sauber mit ausreichend Papier und fließendem Wasser.
Schon während wir frühstückten sahen wir den Mann aus dem deutschen Bulli vor uns mit Taschentüchern im Wald verschwinden. Na was der da wohl machte? Wir unterstellen keine böse Absicht, wenn Unwissenheit reicht und beschließen, dass der Mann vielleicht keine 25 Meter weit in Richtung Meer spaizeren war und leider das Toilettenhäuschen seines Lebens verpasst hatte.
Aber schön war das nicht. Viele Parkplätze wurden in den letzten Jahre für Camper und Übernachter gesperrt – wir vermuten unter anderen damit die Menschen nicht in der ganzen Gegend ihre Notdurft verrichten.
Als wir dann spazieren gingen, lief vor uns ein ebenfalls deutscher Mann mit Hund. Wir gingen wie er in Richtung Insel, hielten nur noch einmal am Toilettenhäuschen, um dort kurz einzukehren. Dann ging es über den schönen Damm weiter. Auf der Insel liefen wir dann über den mit Kies hergerichteten Wanderweg und sahen dort ein Plumpsklo, das wie eine Raketenabschussbasis aussah. Wie passend! Und auch dieses war mit ausreichend Papier bestückt und roch nicht penetrant oder unangenehm. Hier scheint sich jemand wirklich gut um alles zu kümmern.
Etwa 10 Meter hinter dem Plumpsklo saß der Hund – verbotenerweise unangeleint – alleine mitten auf dem Weg und bewegte sich nicht. Als wir näher kamen, sprang sein Herrchen rasch aus dem Abzweig vor uns auf den Weg und sah betreten zu Boden. Als wir in den Seitenweg schauten, lag dort eine Rolle Toilettenpapier und es roch nach einer frischen “Wurst”. Ich sagte zu dem Mann: “Da vorne ist eine Toilette” und er antwortete: “Es war aber dringend.”
Wir gingen weiter, denn der Mann war offentsichtlich noch nicht fertig mit dem, was er da tat. Aber wir verstanden nicht, warum man nicht 10 Meter weiter auf den Abort gehen kann.
Getreu unseres Fahrtmottos: “vielleicht ist es nicht so, wie es aussieht”, versuchen wir uns Geschichten auszudenken, in denen diese soeben gesehene Handlungsweise legitim erscheint. Aber es will uns keine einfallen. Eine adäquate Toilette 10 Meter weiter, das Prinzen-Goldstandard-WC 150 Meter weiter und dahinter nochmal 25 Meter weiter das WC in seinem Wohnmobil ist das eine, das andere ist: er hatte eine Rolle Toilettenpapier dabei! Die hatte er zu Beginn nicht dabei, das heißt er muss sie aus der Raketenabschussbasis entwendet haben. Wirt hoffen, er hat den Rest wieder zurückgebracht – und wir hoffen, er hatte für sich und seinen Hund je einen Kotbeutel dabei!
Zwei plausible Geschichten könnten sein, dass er a) Vergesslichkeit, Magen-Darm-Probleme und eine Plumpsklo-Allergie in Kombination hat oder b) seine männliche Freiheit auf eine sehr skurrile Weise ausleben möchte.
Wie dem auch sei, für uns bleibt diese Verhaltensweise unglaublich respektlos gegenüber der Natur, dem Land, den Menschen hier und nicht zuletzt den noch kommenden Campern, denen aufgrund solcher Verhaltensweisen hier in Zukunft möglicherweise das Parken verboten wird.
Mit diesen nicht so schönen Gedanken liefen wir dann weiter in unseren Tag hinein. Und da wir nicht nur lästern wollten, kehren wir solche Situationen auch gerne um und fragten uns daher, an welchen Stellen im Leben wir uns möglicherweise respektlos verhalten. Was macht es notwendig, dass das Leben uns heute diesen Spiegel vorgehalten hat?
Es dauerte nicht lange, da wurden wir auch schon fündig:
Ich fand an dem Grillplatz am Strand Müll und lamentierte über den mangenden Respekt in der heutigen Zeit. Da sagte Christian zu mir: “Heb ihn doch einfach auf und wirf ihn selber weg.” Doch das wollte ich auch nicht. Aber ich war sofort still. Denn mir wurde klar, dass ich mit meiner Verhaltensweise keinen Deut besser war als die, die den Müll liegengelassen hatten.
Und nur wenige Minuten später, als wir losfuhren kam gleich Nummer zwei: Der Parkplatz hätte theoretisch 30 Kronen gekostet, die wir nicht nachbezahlt haben, als wir es heute bemerkt hatten. Wenn es jeder so macht wie wir, wird es bald vielleicht keinen Menschen mehr geben, der hier den Platz so ordentlich hält wie wir ihn vorgefunden hatten. Mit schlechtem Gewissen fuhren wir weiter.
Nachdem wir Gas nachgetankt und den Großeinkauf in Steinkjer hinter uns gebracht hatten, fuhren wir weiter nach Süden. Eine halbe Stunde vor Trondheim fanden wir den Picknickplatz wieder, den wir auch auf der Hinweise besucht hatten. Er liegt ganz nett direkt an einer kleinen Marina an der E6.
Wir tranken Tee und aßen Zimtschnecken, mal draußen in der Sonne und im kleinen Regenschauer auch mal in der kleinen Schutzhütte. Egal wann wir schauten – immer fiel unser Blick auf einen Regenbogen. Der heutige Tag schien hier Regenbögen zu produzieren.
Auch hier in dem Unterstand lag Müll herum. Und diesmal nahm Christian einen Tetrapak und eine Aludose und warf sie in den Mülleiner direkt nebenan. Wir haben verstanden und wollen nicht mehr respektlos sein!
Anschließend fuhren wir um etwa 15:30 Uhr in den Feierabendverkehr von Trondheim hinein. Die E6 war voll und das Navi führte uns direkt durch die Stadt. Eine Vollkatastrophe für Autofahrer.
Heute ist also der Tag, an dem ich gelernt habe: egal was, es hat auch immer etwas mit mir selbst zu tun. Sehe ich Respektlosigkeit, frage ich mich, wo ich respektlos bin. Denke ich, andere sind total blind, frage ich mich, an welcher Stelle ich total blind bin. Eine Antwort dazu findet sich immer recht rasch. Oft möchte ich die aber nicht wahr haben.
Zum Abschluss des Tages fahren wir in ein riesiges Regengebiet hinein. Wir machen Station auf dem Fiske-Camping in Kyrksaeteröra. Hier haben wir einen Platz direkt ein Meter vom Meer entfernt mit tollem Blick auf Wellen, Wind, Angler und dicke dunkle Regenwolken.
Das Wetter passt zu meiner Stimmung. Heute passt auch wirklich alles harmonisch zueinander – wenn auch auf “beschissene” Art. Manchmal gibt es so Tage wie diesen heute.
Eure Nicole