Tag 10 – es hat die ganze Nacht geregnet.
Die Jugendlichen, die neben uns am See im Schlafsack gelegen hatten, waren alle noch in der gleichen Nacht verschwunden. Ob es am Regen lag, an der Nachtkälte oder an den kleinen Stechfliegen, wer weiß das schon.
Der neue Tag begrüßte uns mit 14 Grad, bedecktem Himmel und Wind. Beim Frühstück entschieden wir, ob wir nach Osten oder weiter nach Westen weiterfahren wollen. Für beide Richtungen gab es gute Gründe. Im Osten ist das Wetter besser, im Westen liegen die Fjorde. Schlussendlich entschieden wir uns für die Route nach Westen bis Odda. Theoretische Fahrtzeit 3 Stunden, praktisch 5 Stunden.
Es ging am südlichen Rand der Hardangervidda entlang. Zu Beginn fuhren wir durch das Rauland nördlich des Sees Totak entlang. Eine Fahrt, die wirklich wunderschöne Aussichten bietet (und weitere kostenfreie Stellplätze), viel schöner als die Europastraße südlich des Sees entlang zu fahren.
Hinter dem riesigen See mündete unsere Straße in die Europastraße und schon nach kurzer Zeit, hoch oben auf dem schönen kargen Pass, landeten wir vor einem großen Tunnel im Stau. Da standen wir nun mitten in einer mondähnlichen Landschaft mit letzten Schneefeldern bei gemütlichen 9 Grad und Nieselregen, als der Norweger aus dem Auto vor uns in Badehose aus dem Auto sprang und mal eben kurz im See baden ging. Sachen gibt´s… Wir warteten – ohne baden zu gehen – etwa 20 Minuten auf das „Ledebil“, das uns einspurig über den Pass statt durch den Tunnel führen würde.
Anschließend, hinter dem Pass, machten wir eine Pause an der Roldal Stavkirke und tranken einen Tee bzw. Kaffee. Da der Eintritt in die Kirche nicht frei war, besuchten wir sie – im Regen – nur von außen. Wir boykottierten schon immer Gotteshäuser, die nicht für alle Menschen frei geöffnet sind. Das widerspricht für uns dem Gedanken von Kirche jedweder Art.
Bevor die nächste „Kolonne“ eine Stunde später über den Pass ankommen konnte, waren wir wieder verschwunden und genossen die weitere Fahrt über das Haukelifjell, bevor wir dann in Skarde rechts in Richtung Odda abbogen.
Auf der Straße hier liegt der Touristenmagnet „Latefoss“, ein sehr breiter Zwillingswasserfall. Wir haben ihn schon des Öfteren gesehen, aber noch nie so wasserreich und noch nie gab es kurz dahinter einen dritten Wasserfall, der so wasserreich war, dass er auf die Straße schäumte und uns fast in den Gegenverkehr geraten ließ. Dass wir so etwas zu sehen bekommen – da hat der viele Regen auch etwas Gutes gebracht.
In Odda versuchten wir, möglichst viele Szenen aus der fiktiven Stadt „Edda“ aus der Netflix-Serie „Ragnarök“ wiederzuerkennen, die hier gedreht worden ist. Das war lustig.
Hier bogen wir dann in Richtung „Buar“, manchmal auch „Buer“ genannt, ab und fuhren das Tal ganz bis zum Ende hinauf – einspurig, mit Gegenverkehr, ungeteert und im strömenden Regen.
Um es mit den Worten von Christian zu sagen: „das war kein Spaß!“ Aber es hat sich gelohnt. Ganz oben im Tal gibt es einen Wohnmobilstellplatz (185 Kronen, ca. 19 Euro) ohne alles, von dem aus man bis zur Buarbreen-Gletscherzunge des Folgefonna wandern kann.
Wir kamen in Regen und Sonnenschein – mit Regenbogen – nur etwa 4000 Schritte weit und hofften auf besseres Wetter morgen. Auto und wir sahen aus, als ob wir direkt aus der unzivilisierten Wildnis der Taiga entstiegen wären… Am Abend kochte Christian dann ganz zivilisierten Butterreis mit Tomaten-Feta-Champignon-Zucchini-Soße. Und wir genossen beim Abendessen den Sonnenschein und die Aussicht auf direkt vor dem Bus grasende Hochlandrinder.